Hoff hofft

"journalist"-Autor will endlich recherchieren

"Wer recherchiert noch wirklich? Wer hat je recherchiert? Natürlich wird der Mythos Recherche hochgehalten, aber mal ganz im Ernst: Früher bedeutete Recherche oft auch nur, einen Anruf ins Archiv zu tätigen und sich alles, was bereits erschienen war, auf den Schreibtisch legen zu lassen. Heute heißt das Archiv Google."

Macht sich "journalist"-Autor Hans Hoff  Sorgen um seinen Berufsstand. Denn Zeitungen und Zeitschriften leiden unter Auflagenschwund, verlieren an Glaubwürdigkeit und bekommen immer mehr internette Konkurrenz von pfiffigen bloggern, die Redakteuren täglich den Rang ablaufen. Schlage ich morgens die Lokalzeitung auf, frage ich mich, warum mir die Redaktion abgeschriebene Pressemitteilungen als eigene Berichterstattung verkaufen will. Bin ich bei einem Ereignis selbst dabei gewesen, erkenne ich das Geschehene nicht wieder. Habe ich mich mit einem Thema näher befasst, frage ich mich, woher ein Autor seine Weisheit bezieht. Wenn mich jemand pfiffig und fundiert informiert, handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um einen Gastautor, dem etwas Zeit gelassen worden ist. Zu pfiffig darf der aber auch nicht sein. Die Regel, dass ein großer Anzeigenkunde wichtiger ist als jede Leserin und jeder Leser, gilt auch für ihn. An Tabus darf auch er nicht rühren. Deshalb erfahre ich von Managementfehlern auch meistens erst, wenn ein Unternehmen kaum noch oder gar nicht mehr zu retten ist.

Journalisten jagen eine Sau durch das Dorf, bis das arme Tier zusammenbricht und das nächste auftaucht. Probleme entstehen scheinbar wie aus dem Nichts und verschwinden dort auch wieder. Verunglückt ein Schulbus, verunglücken tagelang überall Schulbusse, bis alle Kinder wohl wieder sicher zum Unterricht kommen. Hat ein Prominenter die Krankheit XY, geht angeblich die halbe Nation zum Arzt. Nimmt sich jedoch ein Bundeswehrsoldat in Afghanistan das Leben, bleibt der Krieg gerecht, bis nicht einmal mehr der Verteidigungsminister erklären kann, was man dort eigentlich gewollt hat. Wenn der bei dieser Gelegenheit sagt, dass die Wehrpflicht auf Eis gelegt worden sei, damit die Bundeswehr überhaupt nach Afghanistan durfte, springt der Bundespräsident ein und verdrückt ein paar Tränchen an Särgen und versichert den Hinterbliebenen, dass man die Kriegstoten nie vergessen werde, deren Namen er eine Woche später längst wieder vergessen hat.

Kampfbegriffe von Politikern dagegen vergisst niemand. Wie oft ich schon das Wort "verfassungsfeindlich" gelesen habe, weiß ich nicht. Wie oft die DDR schon "sozialistisch" oder gar "kommunistisch" genannt worden ist, kann ich ebenfalls nicht sagen. Auf jeden Fall war das ein Unrechtsstaat, während es sich bei der Bundesrepublik Deutschland zweifellos um einen Rechtsstaat handelt. Überall hängen Redakteure Plakate auf. Doch plakativ ist immer falsch.

Der größte Unsinn wird als weise geadelt - Redakteure, die einem Politiker ins Stammbuch schreiben, dass er die Partei XY tausendmal "verfassungsfeindlich" nennen kann, so lange er dieser Partei nicht verfassungswidriges Verhalten vorwerfen und auch noch nachweisen kann, dass er die DDR nicht immer einen Unrechtsstaat nennen darf, so lange er nicht sagt, wer dieses Unrecht ausgebadet hat, dass er die Bundesrepublik Deutschland nicht stets und überall einen Rechtsstaat nennen sollte, damit er anschließend Unrecht als bedauernswerte Ausnahme verharmlosen kann, suche jedenfalls ich vergeblich.

Der Sache auf den Grund gehen, bedeutet Tiefgang. Dazu gehört Mut, den sich Redakteure aber nicht allzu oft leisten sollten. Sonst bleibt nur noch Schwermut.



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