Die Piraten

Machen auch Frank Walter Steinmeier nervös

Einen Studenten hatten sie schon ermordet, als sich im Deutschen Bundestag am 9. Februar 1968 die damals vorhandenen Parteien trafen und an der Protestbewegung vorbeiredeten. Damals sagte ein CDU-Bundestagsabgeordneter: "Vielleicht gibt es auch viele, die noch dem alten deutschen Irrglauben anhängen, die Macht sei böse, obwohl die Macht weder gut noch böse ist, sondern ihr Charakter allein nach einem bestimmt wird, nämlich nach dem Zweck und nach der Methode." Dieser Politiker war also böse, weil erst über 40 Jahre später herausgekommen ist, wieviel Böses geschah, als der Schah von Persien in Berlin war.

Diese Bundestagsdebatte kann man in meiner Broschüre "Blumen im Haar, Philishave am Kinn, Polizeiknüppel im Nacken" nachlesen.

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Nun sind sie wieder fast so nervös wie damals. In einem Interview mit "Welt online" spricht der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank Walter Steinmeier von "gewachsenen Parteien", die sich ohne Angst mit der Piraten-Partei auseinandersetzen sollten. Regierungsfähig sei die keinesfalls, wolle es vielleicht auch gar nicht sein. Ist schon erstaunlich, mit welchem Thema sich Steinmeier bei einer jungen Bewegung beschäftigt, die ähnlich bunt ist wie seinerzeit die 68-er. Was schreckt ihn denn auf? Die Umfragewerte oder der Einzug in zwei kleine Parlamente?

Spätestens bei der Vermutung, dass die Piraten wohl ihren Charme daraus beziehen, dass sie "Störfaktor im System" sein wollen, müsste sich Steinmeier fragen, was an einem System nicht stimmt, wenn eine Störung desselben als charmant gilt. Stört jemand in der Schule einen guten Unterricht, findet das nur selten jemand charmant, wenn jemand  in einem Betrieb, in dem viele gern arbeiten, den Produktionsablauf stört, dürfte das Gleiche gelten.

Wenn aber der SPD-Fraktionsvorsitzende die Systemfrage stellen will, darf er sich nicht allzu lange mit den Piraten aufhalten, sondern muss ganz andere Auseinandersetzungen führen - und einige beenden. Die Macht ist zwar nicht böse, aber es geht viel zu oft böse zu, wenn jemand nach der Macht greift. Dann wird keine Rücksicht mehr genommen, dann geht es in den Parteien zu, als hätten alle den Verstand verloren. Dass vielleicht auch deshalb viele ihr Kreuz bei der Piratenpartei machen statt gar nicht zur Wahl zu gehen, dürfte verständlich sein.

Die Piraten werden gewählt, obwohl sie sagen, dass sie eigentlich gar nicht wissen, was sie zu wichtigen Themen sagen sollen. Die "gewachsenen Parteien" dagegen sagen immer wieder zu wichtigen Themen, was sie nach der Wahl nicht gesagt haben wollen. Nichts sagen oder angeblich nichts gesagt haben, unterscheidet sich nur in einem: Die "gewachsenen Parteien" werden oft der Lüge überführt - die Piraten (noch) nicht. Sobald sich das geändert hat - sind sie regierungsfähig?

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